
Ossicles
Tanzsaal-Jams & Verborgene Botschaften Es war schon immer Karl Seglems dringlichstes Anliegen, seine Musik für das sprechen zu lassen, was sich nicht in Worte fassen lässt. Und weil gerade seine eindringlichen Live-Auftritte seit jeher für die wohl genauste Umsetzung dieses Unterfangens stehen, entschied er sich für sein mittlerweile 27. Album „Ossicles“ für eine neue Strategie. Zusammen mit seiner Band quartierte Seglem sich im idyllisch gelegenen Herrenhaus-Hotel in Salderatzen ein und nahm vier der neuen Titel im holzgetäfelten Tanzsaal vor einem kleinen Publikum auf. Tatsächlich hört man dem Ergebnis die für den Norweger so typische dichte, unwirkliche und unergründliche Spannung an, welche er anschließend in Reidar Skårs Osloer 7Etage Studio weiter vertiefte. Das Ergebnis ist somit zwar kein Live-Album in traditionellem Sinne, wohl aber das persönlichste Dokument des einzigartigen Jazz-Ansatzes des Multi-Instrumentalisten. Dabei setzt „Ossicles“ zunächst einmal schlicht Seglems Mission fort, die Reinheit, archaische Kraft sowie den lyrischen Melodienreichtum norwegischen Folks mit forschender Improvisation zu verbinden. Gleich der erste Track „Gammal Rørsle (Old Movement)“ ist eine für ihn typische groovende und mysteriös ornamentierte musikalische Reise für Trompeten-Ziegenhorn und exotische schimmernde Perkussions-Strukturen. Das von kühlen Geigen getragene „Mårblå (More Blue)“ wiederum entstand auf der im Titel genannten abgelegenen Halbinsel. Inmitten des Sognefjords und nur mit der Fähre erreichbar bildete Mårblå einen fruchtbaren kreativen Nährboden: Eine Woche lang genoss Seglem hier die landschaftliche Schönheit, kochte selbstgesammelte Pilze und nutzte die sich um ihn herum ausbreitende Stille, um an neuem Material zu arbeiten. Im Vergleich zu dem Vorgänger „NORSKjazz.no“, einem gewagten Abstecher in die Welt tiefer, zeitloser Balladen, bewegt sich „Ossicles“ somit ganz klar wieder in Richtung seiner Wurzeln. Trotzdem lassen sich auch hier eine ganze Reihe neuer kompositorischer Elemente erkennen. So lud Seglem nicht weniger als drei verschiedene Perkussionisten ein, einschließlich des für seine Arbeit mit der norwegischen Rockband Madrugada bekannten Erland Dahlen, und integrierte die Klangfarben der westafrikanischen Ngoni und des Antilopenhorns in die ohnehin schon eklektischen Arrangements. Das Ergebnis verbindet nun afrikanische Einflüsse, Reggae-Rhythmen und pakistanische Metren zu einem stimmigen Stil voller verborgener Botschaften: „Es ist eigentlich ein recht einfaches Stück“, so Seglem über „Gammal Rørsle“, aber der melancholische Ton des Ziegenhorns verleiht ihm eine Note, die sich nicht in Worte fassen lässt.“ Weil sich „Ossicles“ ganz auf die assoziative Kraft seiner Musik verlässt, wird man als Hörer derartige Erklärungen auch nicht benötigen.